Sophia Flörsch ist Rennfahrerin und die erste Frau, die in der FIA-Formel-3-Meisterschaft Punkte einfahren konnte. Nachdem sie 2016 und 2017 Podiumsplätze in der Formel 4 erreichen konnte, stieg sie 2018 in die Formel 3 auf. Dort konnte Sophia als erste Frau in der F3-Geschichte Punkte sammeln. 2025 begann Sophia in der IndyNXT Formula Series in den USA, brach dieses Engagement allerdings bereits nach dem ersten Rennen aus internen Gründen ab. „Keep her sharp for 2026“ lautet nun die Devise. Tests und einzelne Starts in der ELMS, den 24h von Le Mans oder anderen großen Events stehen auf der Agenda. Seit 2023 gibt sie als Markenbotschafterin für die Deutsche Vermögensberatung Vollgas.
EU:
Sophia, du bist Deutschlands schnellste Frau und Rennfahrerin aus Leidenschaft. Du hast dir einen Beruf ausgesucht, der für viele als ganz eigene Welt gilt – Motorsport, Leistungssport, und vor allem eine männerdominierte Branche. Heute misst du dich täglich auf der Rennstrecke, meist mit männlichen Konkurrenten. Wann war für dich der Moment, an dem du wusstest: Ich will Rennfahrerin werden – das ist mein Weg?
Sophia Flörsch:
Ich habe mit vier Jahren angefangen – also wirklich sehr früh. Es kam damals durch meinen Vater zustande, der mich einfach mal in ein Kart gesetzt hat. Für mich war es am Anfang nur ein Hobby. Ich habe zum Beispiel auch mal Ballett ausprobiert, aber das war gar nichts für mich. Ich bin dann einfach dabeigeblieben. Mit 14 bin ich vom Kart ins Auto umgestiegen, habe in England Rennen gefahren, später in der Formel 4. Parallel habe ich noch mein Abitur gemacht, doch mir war immer klar: Ich will den Motorsport so lange wie möglich machen – und mein großes Ziel ist die Formel 1. Am Beispiel von Mick Schumacher sieht man, dass sich auch in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC schöne Erfolge feiern lassen. Weltmeister ist Weltmeister. Egal wo.
EU:
Ein sehr ehrgeiziges Ziel – denn in der Geschichte der Formel 1 gab es bislang nur zwei Frauen, die jemals ein Rennen gefahren sind und das war in den 1950er- und 1970er-Jahren. Beide waren Italienerinnen. Seitdem: Funkstille. Wie oft hast du gehört: „Du willst in die Formel 1? Du träumst wohl!“?
Sophia Flörsch:
Das habe ich tatsächlich schon öfter gehört. Der Sport ist generell extrem hart umkämpft – es gibt nur 20 Startplätze in der Formel 1. Und wenn man dann auch noch eine Frau ist, wird man häufig nicht ernst genommen. Viele wissen gar nicht, dass ich gegen Männer fahre. In der Formel 3 zum Beispiel bin ich die einzige Frau unter 30 Fahrern. Damit ist man unter den besten 72 Rennfahrern der Welt. Nur Männer. In der WEC bei den Hypercars und LMP2 ist es nicht anders. Motorsport ist eine absolute Männerdomäne – nicht nur auf der Strecke, sondern auch im gesamten Umfeld. Es gab immer wieder Leute, die mir gesagt haben: „Du schaffst das nicht – allein schon, weil du eine Frau bist.“ Aber genau das hat mich nur noch mehr angespornt. Ich habe früh gelernt, solche Aussagen als Motivation zu nutzen. Ich will genau diesen Menschen zeigen, dass es geht – und dass Frauen genauso im Motorsport bestehen können.
EU:
Wie erklärst du dir, dass Frauen im Motorsport historisch oft nur eine Nebenrolle spielen? Wenn ich dich fahren sehe, denke ich: Sie kann doch genauso gut mithalten wie die Männer.
Sophia Flörsch:
Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass Motorsport in der Gesellschaft immer noch als typischer Männersport gesehen wird. Viele Eltern kommen gar nicht auf die Idee, ihre Töchter mal mit auf eine Kartbahn zu nehmen. Ich hatte da großes Glück – mein Vater hat mich damals einfach mal ins Kart gesetzt. Man muss dazu sagen: Ich bin vorher schon Motocross gefahren, das war irgendwie schon immer in mir drin. Aber es ist leider oft so: Der Sohn darf’s mal ausprobieren – die Tochter eher nicht. Und wenn Mädchen nie die Chance bekommen, diesen Sport kennenzulernen, dann kommen eben auch oben in den Rennserien immer weniger Frauen an.
Im Vergleich zu meiner Anfangszeit hat sich aber schon etwas getan. Es gibt inzwischen mehr Mädchen im Kartsport, das ist eine positive Entwicklung. Trotzdem ist der Anteil noch extrem klein. Ich hoffe, ich kann da ein bisschen etwas bewegen – und vielleicht als Vorbild dienen. Egal ob Junge oder Mädchen: Jeder sollte die gleiche Chance bekommen, Rennfahrer oder Rennfahrerin zu werden.
EU:
Dein Vater war nicht nur der Auslöser, sondern ist heute noch eng an deiner Seite. Ihr seid ein echtes Team, oder?
Sophia Flörsch:
Ja, auf jeden Fall. Heute ist das Ganze natürlich auch ein Business geworden. Und man muss verstehen: Selbst im Kartsport – wenn du mit 12, 13 oder 14 fährst – ist eine Saison richtig teuer. Ohne Unterstützung geht da fast nichts.
EU:
Wie war das damals – wie viel Geld musste man aufbringen, damit die kleine Sophia mit 12 ein Jahr lang Kart fahren konnte?
Sophia Flörsch:
Sehr viel. Im Motorsport gibt es nach oben hin keine Grenzen. Als ich international unterwegs war – also bei Europa- und Weltmeisterschaften – und fast jedes Wochenende auf der Strecke stand, haben wir allein im Kartsport in einem Jahr rund 250.000 € ausgegeben.
EU:
250.000 € im Jahr – für ein Hobby?
Sophia Flörsch:
Ja, genau. Es klingt verrückt, aber das ist in diesem Sport Realität. Zum Vergleich: Lando Norris, der heute in der Formel 1 für McLaren fährt, hat mit 12 Jahren im Kartsport sogar rund 800.000 € pro Jahr ausgegeben. Ist natürlich Hörensagen, aber irgendwo stimmt es schon.
Der Sport ist extrem teuer – und das ist auch einer seiner größten Nachteile. Er ist schlichtweg nicht für die breite Masse zugänglich. Deshalb habe ich schon früh lernen müssen, wie wichtig Sponsoren sind. Mein Vater hat mich mit 12 Jahren dazu gebracht, bei Firmen anzurufen und um Unterstützung zu bitten.
EU:
Das heißt, du hast als Zwölfjährige bei Unternehmen angerufen und gesagt: „Hallo, ich bin Sophia – ich brauche Sponsoring“?
Sophia Flörsch:
So in etwa, ja! Wir haben das zu Hause richtig geübt – was ich sagen soll, wie ich auf bestimmte Fragen reagieren kann. Klar, in 99 Prozent der Fälle habe ich Absagen bekommen. Aber es gab auch Kontakte, die zustande kamen. Durch diese Erfahrungen habe ich früh verstanden, was es bedeutet, Geld für den Sport zu beschaffen – und wie schwer es ist, Menschen und Unternehmen von sich und der eigenen Vision zu überzeugen.
EU:
Dein Vater war und ist eine treibende Kraft an deiner Seite. Ihr habt ein sehr enges Verhältnis, oder?
Sophia Flörsch:
Absolut. Mein Vater ist quasi mein Management, mein Mentor – er macht alles, was drumherum anfällt. Wir funktionieren fast wie ein kleines Start-up.
Doch irgendwann war klar: Die Unterstützung durch meine Eltern reicht nicht mehr – besonders nicht im Formelsport. Als ich von Kart in die Formel 4 gewechselt bin, sind die Kosten noch einmal drastisch gestiegen. Da war schnell klar: Ohne Sponsoren kann ich meine Leidenschaft nicht weiterverfolgen – und mein Ziel, die Formel 1, rückt in unerreichbare Ferne.
EU:
Du bist eine herausragende Rennfahrerin – aber wie gut bist du eigentlich als Geschäftsfrau?
Sophia Flörsch:
Naja, ich war in der Formel 3, in der ELMS und WEC sowie zuletzt in der IndyNXT in den USA. Der nächste Schritt in ein Hypercar oder die Formel 2 braucht vier bis fünf Millionen €. Wenn ich das geschafft habe, dann würde ich sagen: Es läuft ganz gut!
EU:
Die beste Antwort überhaupt – auch dank deines Partners, oder? Auf deiner Mütze sieht man das Logo der Deutschen Vermögensberatung, einem Partner des Founder Summits von Anfang an.
Sophia Flörsch:
Ja, was meine Partner angeht – und die Deutsche Vermögensberatung ist da ein besonders gutes Beispiel – ist mir eine langfristige Zusammenarbeit extrem wichtig. Motorsport ist brutal. Es gibt wunderschöne Momente, wenn alles läuft. Aber es gibt eben auch Tiefpunkte. Und genau dann braucht man Partner, die einem nicht nur in den Erfolgsphasen zur Seite stehen, sondern auch in schwierigen Zeiten. Mit der DVAG verbindet mich genau so eine Partnerschaft. Wer sich noch an die Zeiten von Michael Schumacher erinnert, weiß: Die DVAG war damals schon im Motorsport stark vertreten. Für mich ist es großartig, jetzt selbst ein Teil dieser Geschichte zu sein.
EU:
Im Motorsport kannst du alles gewinnen – wenn du ganz oben auf dem Treppchen stehst, auf Platz 1, 2 oder 3, dann ist der Fokus auf dir. Ab Platz 4 interessiert es oft niemanden mehr. Dabei übersehen wir, wie viel Leistung hinter jedem einzelnen Platz steckt – ob es Platz 5, 10 oder 15 ist. Ich denke da oft an Sportler, die um Platz 10 kämpfen – was für viele unsichtbar bleibt, aber genauso beeindruckend ist. Wie gehst du mit solchen Rückschlägen um?
Sophia Flörsch:
Man lernt, mit Niederlagen umzugehen. Und ehrlich gesagt: Sie sind wichtig. Denn aus Fehlern lernt man – und nur so wird man besser.
Wie du gesagt hast, bei uns zählt am Ende nur, wer als Erstes über die Ziellinie fährt. Aber es gibt Rennen, da werde ich Zehnte – und trotzdem war es für mich persönlich das beste Rennen der Saison. Ich bin mit meiner Leistung voll zufrieden. Das Problem ist nur: Medien, Sponsoren – niemand sieht das. Es interessiert am Ende oft wirklich niemanden, ob du Zehnte geworden bist. Aber ich glaube fest daran, dass es genau diese vielen kleinen Schritte sind, die am Ende den Unterschied machen – auch wenn sie nicht sofort im Rampenlicht stehen.
EU:
Ein großer Einschnitt in deinem Leben war dein schwerer Unfall in Macau vor einigen Jahren. Du bist mit deinem Auto nach einer Berührung mit einem anderen Fahrzeug über die Strecke hinausgeschossen, abgehoben und in einen Medienturm gekracht – ein stählernes Gerüst. Die Bilder sind damals um die Welt gegangen. Für uns von außen kaum vorstellbar. Für dich wahrscheinlich der schlimmste Moment deines Lebens – und gleichzeitig der Moment, in dem du weltweit bekannt wurdest.
Inwiefern war dieser Unfall ein Wendepunkt für dich?
Sophia Flörsch:
Das war auf jeden Fall ein sehr einschneidender Moment – sowohl privat als auch sportlich. Ich war damals 17, eine Woche später bin ich 18 geworden. Ich hatte zwei gebrochene Wirbel, das Rückenmark war zu 50 Prozent gequetscht. Am Tag nach dem Unfall wurde ich in Macau 13 Stunden lang operiert. Wenn man so jung ist, denkt man oft, man sei unzerstörbar. Man macht sich keine Gedanken darüber, wie schnell sich das Leben verändern kann.
Seitdem habe ich eine ganz andere Wertschätzung für meinen Körper – und dafür, dass ich gesund bin. Sportlich hat es mich natürlich zurückgeworfen. Ich bin drei Monate ausgefallen. Aber ich habe durch den Unfall auch sehr viel Aufmerksamkeit bekommen.
EU:
Konntest du diese Aufmerksamkeit später auch für dich nutzen?
Sophia Flörsch:
Im Rückblick – sechs Jahre später – ja, definitiv. Aber direkt danach war das nicht so einfach. Mich hat es ehrlich gesagt ziemlich genervt, dass in den Wochen danach fast nur über den Unfall gesprochen wurde – und kaum über das Rennen an sich. Dabei lief das Wochenende sportlich bis dahin richtig gut. Ich war die beste Rookie-Fahrerin, also die beste Neueinsteigerin des Jahres in Macau, was ja quasi die Weltmeisterschaft der Formel 3 ist. Aber das war kein Thema. Stattdessen wollten alle wissen: „Was hast du in diesen zwei Sekunden gedacht, als du mit 280 durch die Luft geflogen bist?“ Und meine Antwort war immer: „Gar nichts – das geht so schnell, das bekommst du gar nicht mit.“ Heute sage ich: Der Unfall ist ein Teil meiner Geschichte – er gehört zu meinem Leben. Aber mein Ziel ist es, ihn irgendwann durch sportliche Erfolge in den Hintergrund zu rücken.
EU:
Dein Vater war von Anfang an dein größter Förderer. Aber wie war das mit deiner Mutter? Wenn das eigene Kind mit 200, 250 oder sogar 300 km/h über die Rennstrecke fährt, kann ich mir gut vorstellen, wie groß die Angst sein muss. Wie ist das bei euch?
Sophia Flörsch:
Da müsstest du eigentlich meine Mutter selbst fragen. Aber ich glaube, sie und mein Vater wissen einfach, dass der Motorsport mein Leben ist – meine Leidenschaft. Und sie hätten es mir weder heute noch vor zehn Jahren verbieten können. Ich hätte trotzdem alles darangesetzt, diesen Weg zu gehen.
Meine Mutter schaut sich zum Beispiel nie den Start und die erste Kurve eines Rennens an – weil sie weiß, dass dort am ehesten etwas passieren kann. Da schaltet sie bewusst nicht hin. Aber ansonsten verfolgt sie alle Rennen.
Ein Thema war natürlich der Unfall in Macau. Im Jahr danach bin ich direkt wieder dort an den Start gegangen. Dafür habe ich übrigens auch den Laureus World Sports Award bekommen – quasi den „Oscar“ des Sports.
Meine Mutter fand das damals gar nicht gut. Sie war nicht begeistert, dass ich ausgerechnet nach Macau zurückgehe. Den Laureus-Award fand sie toll – aber die Rückkehr zum Ort des Unfalls war für sie schwierig. Trotzdem ist sie mitgekommen – und am Ende war es dann auch für sie okay.
EU:
Sophia, deine Geschichte ist unglaublich spannend. Aber auch deine Haltung, dein Durchhaltevermögen, deine Ziele. Was motiviert dich jeden Tag aufs Neue? Ist es wirklich nur die Formel 1? Oder steckt noch mehr dahinter?
Sophia Flörsch:
Natürlich ist die Formel 1 mein großes Ziel – das treibt mich an. Es ist die bekannteste Weltmeisterschaft im Rennsport. Dafür lebe ich, das will ich unbedingt erreichen. Aber auf dem Weg dorthin gibt es unzählige kleinere Etappen, die ich ebenfalls meistern und genießen will.
Ich arbeite mit großartigen Menschen zusammen, mit tollen Firmen – und ich darf viele besondere Erlebnisse haben. So wie heute hier zu sein und vor euch allen ein bisschen von meiner Geschichte zu erzählen. Ich habe einfach extrem viel Freude an dem, was ich tue. Das hier ist mein Leben – und ich lebe meinen Traum. Ein Traum, der hoffentlich noch lange nicht zu Ende ist.
EU:
Wie lange kann man eigentlich Motorsport auf diesem Niveau betreiben? Wie lange willst du selbst noch fahren?
Sophia Flörsch:
Ich bin 24 – da denke ich ehrlich gesagt noch nicht ans Aufhören. Mein Fokus liegt jetzt erstmal ganz klar auf den nächsthöheren Rennserien. Das ist bereits kurz vor dem Ziel. Und dann sehen wir weiter. Ich bin definitiv auf das langfristige Ziel ausgerichtet – und das heißt: Königsklasse.
EU:
Danke dir für deine Zeit und weiterhin alles Gute auf dem Weg zur Formel 1!